- Franziska macht Geschichten
- Posts
- Vergessen Sie nie, das Leben ist eine Herrlichkeit." (Rainer Maria Rilke)
Vergessen Sie nie, das Leben ist eine Herrlichkeit." (Rainer Maria Rilke)
Das ist Platz 1 auf dem Siegertreppchen meiner Lebenssätze! Und gleichzeitig mein Lebensmotto.
Ich gehöre seit vielen Jahren zu Rilkes Fangemeinde, auch wenn ihm diese Bezeichnung sicher fremd gewesen wäre.
Sonst stets sehr interessiert und akribisch den Biografien mich interessierender Persönlichkeiten nachspürend, beschränkte ich mich bei ihm jedoch eher auf den puren Genuss seiner nachdenklichen, zarten, oft auch melancholischen Poesie.
Ich wusste zwar immerhin, dass Rilkes Leben für das bürgerlich-konservative Verständnis seiner Zeit recht unstet verlief, er auch gern in den Kreisen bildender Künstler, u.a. in Worpswede und Paris verkehrte. Aber genau das bestärkte mich in meinem Trugschluss, dass er ganz gewiss nur ein lebensfremder, wenn nicht sogar depressiver Mensch gewesen sein konnte.
Als ich auf dieses Zitat „Vergessen Sie nie, das Leben ist eine Herrlichkeit“ stieß, war ich deshalb erst völlig irritiert, dann mehr und mehr fasziniert. Nicht nur, dass sich mein Verständnis von Werk und Dichter dadurch allmählich wandelte.
Nein, inzwischen habe ich es sogar gewagt, mir diese Worte als Lebensmotto, völlig kontrovers zur aktuell vorherrschenden pessimistischen Weltuntergangsstimmung, zu eigen zu machen.
Das mag mit Sicherheit in manchen Ohren jetzt wie eine Blasphemie klingen. Leben wir doch gerade in einer Welt, in der uns gefühlt jeden Tag mindestens eine neue Katastrophe um die Ohren geschlagen wird. Da gibt es Viren, denen vor fünf Jahren selbst hoch technisierte Staaten hilflos gegenüberstanden. Die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, das Trinkwasser wird trotzdem knapper und die Hitze- und Dürreperioden häufen sich. Neu entstehende Rüstungsindustrien, Waffenlieferungen, egal wohin, Kriege in unveränderter Grausamkeit entsetzen das Herz jedes friedliebenden Menschen. Und wem das noch nicht reicht, der bekommt in seiner Regionalzeitung jeden Morgen zu Kaffee, Brötchen und Frühstücksei die letzten Schlägereien, Feuer und Unfälle in der Nachbarschaft präsentiert.
Das soll eine Herrlichkeit sein? Mitnichten. Da will ich mich auch gar nicht streiten.
Und doch. Rilke hat genau diese Worte an eine Vertraute auf seinem letzten schweren Kranken- und Sterbelager gerichtet. Hinter ihm lagen zusätzlich zu seiner Leukämieerkrankung noch die Front des 1.Weltkriegs und die Enteignung seines Hab und Guts in Paris, nur weil er Deutscher war.
Aber hat er nicht gerade deshalb recht? Das Leben an und für sich wird doch insbesondere in schwierigen Lebensphasen oder Epochen zu einer Kostbarkeit.
Und wie der Volksmund so schön sagt „Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Keine Eroberung, keine Millionen oder Milliarden, kein umweltzerstörerisches Wohlstandsgebaren passen da hinein. Übertriebene Schwarzmalerei, Weltuntergangsstimmung, Jammern über das Elend dieser Welt oder die Inflation jedoch ebenso wenig.
Gewiss will ich mich nicht als eine Besserwisserin aufführen. Jammern beim Aufstehen, Klagen beim zu Bett gehen waren lange Zeit auch mein tägliches Brot.
Habe ich mit meinem Gejammer, der ewigen Kopfhängerei jedoch etwas zum Guten geändert? In meinem Leben, in meinem Umfeld, meiner Stadt, meinem Land, Europa oder der Welt? Ganz gewiss nicht. Nicht einmal ein Quäntchen.
Ich würde trotzdem lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich diese Erkenntnis nun völlig davon befreit hat. Was ich aber gelernt habe, ist, mir zumindest morgens beim Aufwachen und manchmal auch abends vor dem Einschlafen bewusst zu machen, welch großes Glück ich habe, zu leben und das in einer beheizten Wohnung, ohne Hunger und ziemlich gesund.
Genau deshalb habe ich nun folgende Vision: Jeden Tag starten ein paar Menschen mehr mit dem Gedanken „Das Leben ist eine Herrlichkeit“ in ihren Tag. Irgendwann sind es so viele, dass alle zusammen ihren Kindern und Enkeln doch noch eine friedlichere, weniger zerstörerische Welt hinterlassen. Höchste Eisenbahn!
Rainer Maria Rilke, geboren 1875 in Prag, gestorben 1926 in Montreux, ist, das kann man mit Fug und Recht sagen, eine der größten deutschsprachigen Dichterpersönlichkeiten. Seine Gedichte und Elegien sprechen eine so innige, warmherzige und gleichzeitig doch durchgeistigte Sprache, dass auch in der heutigen schnelllebigen Zeit kaum jemand davon unberührt bleibt.
Auch seine Briefwechsel sind von solch einer Schönheit und Feinfühligkeit, dass sie inzwischen als wesentlicher Bestandteil seines Schaffens gelten.
Rilkes Werk war, beeinflusst u.a. von den Philosophen Nietzsche und Schopenhauer, intensiv geprägt von einem sehr lebensbejahenden Verständnis sowohl der menschlichen Seele als auch der Natur um ihn herum. Dabei schloss der feinsinnige Lyriker den Schmerz, die Krankheit und den Tod ausdrücklich in die Lebensrealität mit ein, insbesondere in seinen letzten Lebensjahren, die von eigener schwerer Krankheit gezeichnet waren.