Neugier

Ja, was, in Gottes Namen ist Neugier überhaupt?

Neugier ist eines der dauerhaftesten und sichersten Merkmale eines starken und lebhaften Intellekts.

(Samuel Johnson, englischer Gelehrter, Lexikograf)

Samuel Johnson (1709 – 1784) war ein englischer Schriftsteller, Dichter, Übersetzer, Kritiker und Lexikograf und nach William Shakespeare der am häufigsten zitierte englische Autor.

Im 18.Jahrhundert, obwohl hierzulande bei weitem nicht so bekannt wie Shakespeare, war Johnson sogar die wichtigste Person der englischen Literaturszene.

Aufgrund seiner Gelehrtheit häufig Dr. Johnson genannt, erhielt er jedoch erst in späteren Jahren die Ehrendoktorwürde in Dublin und Oxford.

Ganz besondere Verdienste erwarb sich der Autor als Lexikograf der englischen Sprache, indem er zwischen 1747 und 1755 das erste umfassende Wörterbuch der englischen Sprache erarbeitete. Noch heute bildet es die Grundlage aller weiteren englischsprachigen Wörterbücher.

Das literarische Schaffen Johnsons wurde immer wieder von finanziellen Nöten unterbrochen, die ihn mal dazu zwangen, als Hauslehrer zu arbeiten und mal mit seiner 21 Jahre älteren Gattin, der Witwe seines besten Freundes, eine „Zöglingsanstalt“ zu gründen.

So manche dieser Aktionen, ähnlich den Versuchen seine Dichtungen auf die Bühne zu bringen oder Zeitschriften herauszugeben, waren leider nicht so erfolgreich, wie von ihm angestrebt.

Ein etwas ruhigeres Leben wurde ihm erst möglich, als die englische Regierung ihm eine monatliche Pension zugestand.

Eingedenk eigener schwerer Zeiten machte er es sich infolgedessen zur Aufgabe andere Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu protegieren oder auch einmal aus der damals noch üblichen Schuldhaft auszulösen..

 Zwei der bekanntesten englischen Klubs wurden ebenfalls von Samuel Johnson gegründet: der „Literary Club“ und der „Evening Club“. 

„Sei nicht so neugierig“! – auch so ein Hemmschuh, mit dem ich groß geworden bin und mit dem ich sogar heute noch manchmal konfrontiert werde.

Ich gebe es ja zu, es ist eine meiner Leidenschaften, meinen Mitmenschen Löcher in den Bauch zu fragen.

Ich finde es nur allzu spannend, Einblicke in andere Leben und Gedankenwelten zu erhalten.

So kann es durchaus passieren, dass ich ungnädig mit den Worten „Fragestunde beendet“ abgefertigt werde.

Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass ich auf diese Weise je von einer Frau gestoppt wurde. Es sind stets Männer, denen es zu bunt wird, was ich an Fragen so auf dem Herzen habe.

Ist Neugier somit eine eher weibliche Eigenschaft, genutzt, um mit dem neu erworbenen Wissen in Klatsch und Tratsch zu baden?

Das bestreite ich entschieden!

Erst einmal gehört der Klatsch zur Männerstammtischrunde genauso mit dazu.

Ich möchte gar nicht Mäuschen sein, wie dort so manches Mal die abwesenden Ehefrauen durch den Kakao gezogen werden.

Auch ist es doch eher eine Gratwanderung, inwieweit das rege Interesse an meinen Gesprächspartnern als reine Neugier oder als empathische Anteilnahme eingestuft werden sollte.

Ja, was, in Gottes Namen ist Neugier überhaupt?

Die Gier an Neuem? Also negativ, da Gier stets ein Laster, eine Untugend?

Schaue ich mir das Eingangszitat Samuel Johnsons an, klingt das ganz anders und schon viel angenehmer in meinen Ohren.

Wenn ich ihn richtig deute, umfasst sein Verständnis von Neugier jegliches aktive Bemühen, mir neues Wissen anzueignen.

Egal, auf welchem Gebiet. Egal, ob Philosophisches, Psychologisches, Wissenschaftliches oder Geschichtliches.

Nun habe ich an mir beobachten können, dass ich mit dem Älterwerden immer mehr darauf erpicht bin, Zusammenhänge zu verstehen, während ich früher eher zu „Staunemann und Söhne bzw. Töchter“ gehörte.

Ja, trotz Abitur und Studium musste ich demzufolge vor so mancher Kinderfrage meines kleinen Sohnes passen.

„Wie entsteht der Regenbogen?“, „Warum fällt der Mond nicht auf die Erde“?,

„Wie funktioniert das menschliche Gehirn?“

Fragen, bitte lachen Sie nicht, die mir mein Sohn später als junger Erwachsener, baff über meine völlige Ahnungslosigkeit, geduldig beantwortete.

Wieso das? Bin ich von solch naturwissenschaftlicher Ignoranz gesegnet?

Setzt mein Intellekt mir hier natürliche Grenzen?

Nein, ich glaube nicht, es interessierte mich schlichtweg bis vor Kurzem nicht besonders.

Das Staunen reichte mir. Ich machte mir einfach keine großen Gedanken.

Der Regenbogen war schön, der Mond hing da oben mit oder ohne Mann im Mond gütig lächelnd und mein Kopf, nun ja, der grübelte halt mal gern, mal gab er Ruh‘. 

Inzwischen mehren sich in meinem Bücherregal die populärwissenschaftlichen Druckerzeugnisse und ich schaue in für mich völlig neue Welten.

Einesteils sicher, weil gerade in den letzten dreißig, vierzig Jahren auch die Wissenschaft in Siebenmeilenstiefeln unterwegs war, anderenteils aber auch weil meine Neugier für diese Themen erst jetzt so richtig erwacht ist. 

Ist nicht eigentlich jeder Entdecker, jede Forscherin von Grund auf neugierig?

Würde die Menschheit sogar noch mit Keule und Lendenschurz am Lagerfeuer sitzen, gäbe es die Neugier nicht?

Vielleicht denken Sie jetzt kopfschüttelnd, wie viele verrückte Thesen hat die gute Frau denn noch auf Lager?

Will sie eventuell damit nur von den vielen Löchern in den Bäuchen anderer ablenken, die sie verschuldet hat?

Mitnichten!

Wenn ein so gelehrter Mann wie Dr. Johnson schon vor 250 Jahren voll des Lobes für die so ungerecht verfemte Neugier war, kann es so falsch nicht sein, wenn ich weiterhin voller Neugier im und am Leben unterwegs sein werde.