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Engel können fliegen, weil sie sich selbst leichtnehmen.
Engel? Falls Sie jetzt befürchten, dass ich Sie lediglich in biblisch-religiöse oder esoterische Gefilde mitnehmen möchte, keine Sorge!
Engel können fliegen, weil sie sich selbst leichtnehmen.
(Gilbert Keith Chesterton)
Gilbert Keith Chesterton, 1874 in London geboren, war ein englischer Schriftsteller und Journalist.
Seine mehrfach verfilmten Kriminalromane um den leicht skurrilen Pater Brown kennen sicher viele. Sie haben schon lange ihren festen Platz als Serie in der Mediathek oder den Wiederholungen der öffentlich-rechtlichen Programme in Deutschland.
Wer die Geschichten jedoch noch nicht in Buchform in den Händen gehalten hat, zuckt bei dem Namen Chesterton wahrscheinlich eher die Achseln mit den Worten: „Noch nie gehört“.
Über Pater Brown hinaus verfasste Chesterton auch viele andere Geschichten, Romane, politische Satiren, Bühnenstücke, Gedichte und teils hochgelobte Biografien, z.B. von Franz von Assisi oder Charles Dickens.
Zeit seines Lebens setzte er sich kritisch mit verschiedenen Glaubensrichtungen und Philosophien sowie politischen Strömungen seiner Zeit auseinander. In herzlicher Freundschaft war er mit George Bernhard Shaw verbunden und setzte sich folgerichtig u.a. für den irischen Befreiungskampf ein.
In seiner äußeren Wirkung auf seine Mitmenschen zeichnete sich Chesterton durch eine damals erstaunliche Größe von 1,93 Metern, einen beträchtlichen Leibesumfang, die ewig im Mundwinkel hängende Zigarre, ähnlich später Churchill, sowie eine sprichwörtliche Vergesslichkeit aus. So konnte es durchaus passieren, dass er seiner Ehefrau von unterwegs ein Telegramm mit der Frage schickte: „Bin in XY, was soll ich hier? oder „Wo soll ich hin?“
Chesterton starb 1936 mit nur 62 Jahren. Sein Nachlass würde heute einem Wert von über zweieinhalb Millionen US-Dollar entsprechen. Also war sein Schreiben finanziell doch recht ertragreich.
Engel? Falls Sie jetzt befürchten, dass ich Sie lediglich in biblisch-religiöse oder esoterische Gefilde mitnehmen möchte, keine Sorge!
Es ist das Bild des Engels, das mir gefällt. Und nicht nur mir.
Erfreuen sich Engel doch z.B. in der Geschenke- und Dekorationsindustrie nach wie vor großer Beliebtheit.
Und dem, der das als Kitsch abtut, bleiben immer noch die künstlerischen Engel-Darstellungen von der Renaissance bis zur Gegenwart. Was wäre z.B. die Sixtinische Madonna ohne ihre pausbäckigen kleinen Engel?
Auch in der sogenannten schöngeistigen Literatur fehlt es nicht an der
Engel-Metapher. Weihnachten ohne Engelgeschichten? Unvorstellbar.
Auch namhafte Schriftsteller und Dichter wie z.B. Goethe, Tolstoi, Dürrenmatt oder Böll bedienten sich dieses Geistwesens gern, wenn auch häufig in entmythologisierter Form, um auf weltliche Missstände hinzuweisen.
Vielleicht können Sie sich, wenn Sie im entsprechenden Alter sind, noch an die US-amerikanische Fernsehserie „Ein Engel auf Erden“ aus den 1980er Jahren mit Michael Landon in der Hauptrolle erinnern?
Wenn auch oft recht realitätsfern von der Handlung her, liebte ich diese Filme doch sehr.
So tragisch die Handlung pro Folge am Anfang meistens war, konnte ich mir sicher sein, dass sie dank des Engels ein gutes oder versöhnliches Ende nahm.
Künstlerisch schon etwas anspruchsvoller fand das Bild des Engels selbst bei dem deutschen Regisseur Wim Wenders im Fantasy-Drama „Der Himmel über Berlin“ 1987 eine tragende Rolle.
Typisch für diese filmischen Ausflüge ist allerdings fast immer, dass der oder die Engel erst einmal ihre Flügel verlieren, da sie auf die Erde zurückkehren.
Entweder aus recht weltlicher Liebe wie bei Wenders oder weil sie eine Aufgabe zu erfüllen haben.
So wie Jonathan Smith in „Ein Engel auf Erden“, der von Gott den Auftrag erhält, den Menschen Liebe, Verständnis, Achtung und Rücksichtnahme beizubringen.
Das heißt, fliegen können sie dann erst einmal nicht mehr.
Egal in welchem künstlerischen Genre, eines haben alle gemeinsam: die Sehnsucht der Menschen nach Wundern, die ihnen ihren schweren Alltag erträglicher machen, sie beschützen vor Krieg, Hunger, Krankheit, Sorgen und auch so manch kleinerer Unannehmlichkeit.
Wenn auch häufig Gottvater genau wegen all des Schweren grollend, den eigenen Schutzengel möchte doch gerade dann niemand missen.
Und hier schließt sich der Kreis meines kleinen Engel-Ausflugs.
Was ist das Gegenteil von schwer? LEICHT. Ganz richtig.
Deshalb können wir, vom Hilfsmittel Flugzeug einmal abgesehen, eben nicht fliegen.
Nun birgt das Wort „leicht“ gerade im sittenstrengen Abendland leider nicht nur das Positive des Einfachen, Problemlosen in sich.
Auch ich wurde eher mit negativen Assoziationen groß.
Beispiele gefällig?
So hatten es meine Eltern nicht leicht. Das Leben bot in ihren Augen selten einen Grund zum Lachen.
Der noch heute in meinen Ohren klingende Satz „Sei nicht so leichtsinnig!“ hat sich sogar über viele Jahre als blockierendes Muster in meinen Gehirnwindungen eingenistet.
Dieses „Sei nicht so leichtsinnig!“ konnte sich dabei auf vieles beziehen und reichte vom ohne Mütze bei Minusgraden unterwegs sein bis hin zu der Warnung, nicht etwa ein „leichtes“ Mädchen zu werden, wenn ich Gefahr lief, mich mit den falschen „Jungs“ einzulassen oder gar (Gott bewahre!) infolgedessen ein Kind mit nach Hause zu bringen.
Auch kann ich mich nicht erinnern, dass ich mich als Kind leichter fühlte, wenn ich betete:
„Heiliger Schutzengel mein, lass mich dir empfohlen sein; in allen Nöten steh mir bei und halte mich von Sünden frei.“
Nein, wirklich, leicht ums Herz wurde mir dadurch nicht, stand doch mit geballter Ladung das Gebot dahinter, ja schön lieb, gut und brav zu sein.
Für mein sensibles Kinderherz eher eine schwere Last. Ähnlich dem Gebet: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, darf niemand drin wohnen als Jesus allein.“
Ich will gar nicht behaupten, dass diese Gebete schlecht waren bzw. sind.
Aus Sicht der Erwachsenen heute eher sehr schlicht und einfach anmutend.
Wenn ein Kind sich jedoch, so wie ich damals, ohnehin in die Angst hineinsteigert, mindestens im Fegefeuer zu landen, weil es mal wieder nicht folgsam war, sind diese Gebete nicht unbedingt hilfreich oder befreiend.
Ist es verwunderlich, wenn ich auch später in so mancher Lebensphase recht melodramatisch dazu neigte, das Leben schwerer zu nehmen als es in Wirklichkeit der Fall war?
Das lag sicher nicht nur daran, dass ich mit den Jahren zunehmend kein Leichtgewicht mehr war, sondern so einige Kilogramm zu viel mit mir herumschleppte.
Eher umgedreht, angefuttert als Kummerspeck.
Es hat so manchen Umweg gebraucht, um Leichtigkeit als Lebenswert an sich neu für mich zu entdecken.
So mag es für Sie vielleicht verrückt klingen:
Aber inzwischen bin ich, zunehmend zumindest befreit von innerem Schwergewicht, so verwegen zu behaupten, dass uns allen, vom Paketboten über die Krankenschwester bis hin zum Bundeskanzler eine gehörige Portion Leichtigkeit in unseren Herzen mehr Wohlbefinden und eine insgesamt leichtere Welt bescheren könnte.
Von der in einem anderen Kapitel schon erwähnten hochgeschätzten amerikanischen Autorin Julia Cameron gibt es ein Buch mit dem schönen Titel „Wer sagt uns denn, dass Gott nicht lacht – von der Leichtigkeit des Göttlichen“.
Ich glaube, wenn er da oben sich nicht pausenlos die Haare raufen möchte über uns Menschenkinder hier unten, bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als über uns in unseren kläglichen Flugversuchen ohne Flügel herzlich zu lachen.