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Deutsche Bahn = Wartezeit?
Bis zu meinem 50.Lebensjahr war ich, bis dahin ohne Führerschein und Auto, prädestinierte Nutzerin von „senk you vor träwelling...“
Bis zu meinem 50.Lebensjahr war ich, bis dahin ohne Führerschein und Auto, prädestinierte Nutzerin von „senk you vor träwelling…“ Kurze Strecken, lange Strecken, Fernzüge, Bummelzüge, schöne Bahnhöfe und weniger schöne waren mir gut vertraut. Verspätungen und Wartezeiten natürlich auch. Sie gehörten für mich dazu, ich wunderte mich darüber, wenn andere darauf verärgert reagierten. Wusste ich es doch: Irgendwann, irgendwie wurde das Ziel doch immer erreicht.
Wo früher der öffentliche Nahverkehr Normalität für mich war, fällt meine Wahl bei Fernstrecken nun nur noch selten auf die Deutsche Bahn. Jetzt gehöre auch ich zu den Ungeduldigen, die sich den Hals verrenken nach den Lichtern des wieder einmal verspätet nahenden Zuges oder die, wie der Tiger im Käfig, die Bahnhofshallen auf und ab laufen, sich noch dazu absolut unwohl fühlend inmitten der anderen Reisenden.
Wenn jedoch zwischen Abfahrtszeit des Zuges und Ende der Tagung, die ich heute besucht habe, noch über zwei Stunden liegen, da die gebuchte Zugbindung es mir nicht erlaubt, eher zurück zu fahren, ist die Bahnhofshalle doch nicht für die ganze Zeit der passende Aufenthaltsort.
Was tun? Ich suche die Citymall der mir unbekannten Stadt auf. Königsstraße. Königliche Gefühle wollen nicht aufkommen. Ein grau-kalter Novembernachmittag lässt mich frösteln, die architektonischen Bausünden der Geschäftsgebäude bedrücken mich, die Überzahl an Geschäften bekannter Handelsketten lassen mich an die sorgenvolle Stimmung des Vertretertreffens vor wenigen Stunden denken. Ja, das Gespenst des Ladensterbens der kleinen inhabergeführten Geschäfte geht allerorten um. Es ist auch hier nicht zu übersehen.
Also wenig Inspirierendes für mich. Links die Straße einmal hoch, rechts die Straße einmal heruntergelaufen. Der trotz November bereits geöffnete Weihnachtsmarkt in der Mitte der Einkaufsstraße ist wenig frequentiert, die quäkenden Lieder aus den Lautsprechern können daran auch nichts ändern. Liegt es an mir, am Novemberwetter, an den kahlen Bäumen, dass es mir so schwerfällt, etwas Schönes zu entdecken? Bemühe ich mich doch eigentlich stets, jeder Ortschaft, die ich auf meinen Fahrten besuche, etwas Positives abzugewinnen. Es will mir heute nicht so recht gelingen. Ich beginne, verdrießlich auf alles zu reagieren. Eine reichliche Stunde immer noch bis zur Abfahrt. Ich habe es satt und steuere eine Bäckerei in Bahnhofsnähe an. Mit einem heißen Kaffee bewaffnet, ziehe ich mich ganz bewusst in eine etwas düstere, ruhige Ecke zurück. Wer weiß, wie voll die drei Züge sein werden, die ich noch bis nach Hause zu bewältigen habe.
Trügerische Ruhe, trügerische Ecke. Auch hier endet es, wie so oft. Es währt nicht lange und eine ältere Dame mit Strickzeug – zwei Tische von mir entfernt – beginnt mir, lebhaft mit den Stricknadeln gestikulierend, etwas zu erzählen. Spricht sie überhaupt Deutsch? Ich verstehe sie nicht, nicke trotzdem freundlich zu allem, was sie so sagt, bis ich irgendwann merke, dass das Nicken wohl nicht bei allem so angebracht war. Nicht zu ändern, zu spät, mich nicht nur als ungewöhnlich stumm, sondern auch als anscheinend zunehmend hörgeschädigt zu enttarnen. Als drei weitere Tische entfernt, auch noch ein alter Herr anfängt, auf mich einzureden, ohne dass ich auch nur ein Wort verstehe, bin ich restlos überzeugt. Der liebe Herrgott hat mich heute fern der Heimat, in einer grauen, trostlos anmutenden Stadt auch noch mit Taubheit geschlagen. Da dem freundlichen Mann meine hilflosen stummen Erwiderungen nichts auszumachen scheinen, überstehe ich die Wartezeit am Ende doch und bin heilfroh, dass der Zug mit nur zehn Minuten Verspätung mich dann in seine bergende Hülle aufnimmt. So sage ich – fünf Stunden und drei Züge später - dann doch wieder einmal ehrlichen Herzens „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“.